Funde der Täter und Opfer aus der NS-Euthanasie-Tötungsanstalt Hartheim (Oberösterreich)

Das nationalsozialistische Regime hat von Beginn an pseudowissenschaftlich Menschen nach NS-rassenideologischen Kriterien unterschiedlich bewertet, entwürdigt und in großer Zahl ermordet. Solche Rassen wurden mit Völkern gleichgesetzt. Diese nationalsozialistische Rassenlehre schließt auch die sogenannte NS-Rassenhygiene mit ein, nach der psychisch kranke und behinderte Menschen getötet werden sollten, eine extreme Form der seit Ende des 19. Jahrhunderts verbreiteten Eugenik. Eine solche Vernichtung „unwerten Lebens“ fand in den Jahren 1939-1941 in sechs NS-Tötungsanstalten in Gomadingen-Grafeneck (Baden-Württemberg, D), Brandenburg an der Havel (Brandenburg, D), Pirna-Sonnenstein (Sachsen, D), Bernburg an der Saale (Sachsen-Anhalt, D), Hadamar (Hessen, D) und in Hartheim (Oberösterreich) statt. Dies geschah zunächst im Zuge der sogenannten Aktion T4, nach 1941 wurden die Tötungen unter der Deckbezeichnung „Sonderbehandlung 14f13“ bis 1944 fortgesetzt.

Insgesamt wurden während der Betriebszeit der Aktion T4 in Hartheim rund 18.000 Menschen mit Kohlenmonoxyd ermordet und anschließend kremiert, die Asche entsorgte man zunächst in der Donau, dann in den genannten Gruben auf dem Außengelände des Schlosses. Nicht zuletzt aufgrund von Protesten aus der katholischen Kirche wurde im August 1941 die Aktion T4 beendet. Trotzdem hörten die Ermordungen nicht auf. In der 2. direkt anschließenden Phase wurden bis zum Herbst 1944 im Rahmen der sogenannten „Sonderbehandlung 14f13“ rund 12.000 Menschen aus verschiedenen Konzentrationslagern, etwa aus  Mauthausen, Dachau oder aus dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, nach Hartheim transportiert und dort ebenfalls ermordet.

Bei Ausgrabungen in den Jahren 2001 und 2002 wurden im Garten des Schloss Hartheims insgesamt elf Gruben entdeckt; in den meisten fand sich in hauptsächlich Leichenbrand, aber auch zahlreiche Funde, die in die in der überwiegenden Mehrzahl als persönliche Besitz der Opfer angesprochen werden können. Hinzu kommen Gegenstände, die zur technischen Ausstattung der Tötungsanstalt gehörten und die wahrscheinlich im Zuge der Rückbaumaßnahmen Ende 1944 weggeworfen wurden.

Bei den hier niedergelegten Objekten handelt es sich um medizinische Behelfe (z.B. Prothesen, Orthesen, Zahnprothesen, Brillen), Medikamente, Gegenstände der täglichen Hygiene (z.B. Zahnbürsten, Kämme, Seifen, Cremes), religiöse Symbole (z.B. Rosenkränze, Wallfahrtsabzeichen), Schmuck oder auch zahlreiche Becher, Tassen, Teller und vieles anderes mehr. Teilweise war z.B. das Geschirr ineinander gestapelt bzw. es lagen in einer Schicht zahlreiche unterschiedliche Brillen dicht beieinander. Die genannte Art der Niederlegung von bestimmten Fundkategorien in spezifischen Schichten kann in der Weise gedeutet werden, dass die Täter und Täterinnen zunächst das persönliche Hab und Gut der Opfer sammelten, aufbewahrten und dann in die Gruben entsorgten. Sehr anschaulich zeigt dies eine en bloc geborgene Teilgrube, die in der Ausstellung der Lern- und Gedenkstätte Schloss Hartheim zu sehen ist.

Seit 2022 besteht eine Kooperation zwischen dem Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim und dem Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie mit dem Ziel die Funde aufzuarbeiten. Dies geschieht mit Studierenden des Institutes in Bachelorseminaren. In einem ersten Seminar im Wintersemester 2022/23 wurden Objekte mit medizinischem Kontext ausgewertet, im Sommersemester 2023 Tassen und im Wintersemester 2023/24 Gegenstände im Zusammenhang mit Körperpflege und Hygiene.

In einer Publikation konnten erste Ergebnisse vorgestellt werden: Fundstücke 1 (Redaktion S. Loistl, Cl.Theune, P. Eigelsberger, Fl.Schwanninger - Alkoven 2023)

An dieser Stelle sei den Studierenden für ihr besonderes Engagement gedankt: 

Seminar zu Objekten aus einem medizinscher Kontext: Leah Theresia Gabriel, Matthias Graf, Manuela Hirsch, Stefan Krojer, Benedict Seidl, Monika Maria Strutzenberger, Elisabeth Töltl
Seminar zu Tassen: Alexandra Buchegger, Michael Eder, Agnieszka Fernandez, Elaine Allison Ginzel, Agnes Hammerschmied, Michael Holek, Leonie Kalb, Laura Moser, Sonia Petermichel, Adriane Pialek, Wilfried Richard Schlosser, Maximilian Steppan, Seher Nur Turgut, Monika Weingartshofer, Sanna Wimmer
Seminar zu Objekten au dem Kontext Körperpflege und Hygiene: Christoph Blätterbinder, Jessica Dinstl, Viola Geißelbrecht, Louisa Hofmann, Jakob Felix Mairoser, Eva Pletzenauer, Robert Pröll, Sarah Sunshine Sucek, Felicitas Tschofen

 

Weitere Literatur:

W. Klimesch, Veritatem dies aperit. Vernichtet - Vergraben - Vergessen. Archäologische Spurensuche in Schloss Hartheim. Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereins 147/1, Linz 2002, 411-434.

S. Loistl, Fl. Schwanninger, Vestiges and Witnesses: Archaeological finds from the Nazi-Euthanasia  Institution of Hartheim as objects of research and education. International Journal of Historical Archaeology 22, 2028, 614-638.

Cl. Theune, Eine kontextbezogene Betrachtung der Funde aus der NS-Euthanasieanstalt Schloss Hartheim. In: Sonius 32, 2023, 3-8.